Mit dem Kolostrum fängt es an

Mit dem Kolostrum fängt es an

Inzwischen dürfte hinlänglich bekannt sein, wie bedeutsam die frühzeitige Gabe einer ausreichenden Menge qualitativ hochwertiger Biestmilch für die Gesundheit des Kalbes ist. Kälber kommen ohne Antikörper auf die Welt und sind somit den Erregern in der Stallumgebung schutzlos ausgeliefert. Daher ist das Kalb auf die passive Immunisierung über das Kolostrum angewiesen. Der Zeitfaktor ist so bedeutsam, da die Darmwand nur in den ersten Lebensstunden für die Immunglobuline durchlässig ist. Ganz grob geht man von einer zu verabreichenden Menge von drei bis vier Litern Biestmilch innerhalb der ersten drei bis vier Lebensstunden aus. Je früher und je mehr, umso besser. Denn was in dieser frühen Lebensphase verpasst wurde, ist später für das Tier nicht mehr aufzuholen.

Biestmilch, ein besonderer Saft

Neben den bedeutsamen Immunglobulinen (Ig), die das Muttertier gegen die stalltypischen Erreger gebildet hat und über das Kolostrum an ihr Kalb weitergibt, enthält das Erstgemelk weitere wichtige, biologisch aktive Bestandteile. Es sind abgesehen von der besonderen Nährstoffzusammensetzung der Biestmilch u.a. prebiotisch wirkende Kohlenhydratverbindungen, Hormone, Enzyme und Wachstumsfaktoren. Dies erklärt, weshalb das Kolostrum auch über die ersten Lebensstunden des Kalbs hinaus eine wichtige Nahrung darstellt und mindestens zwei Tage lang vertränkt werden sollte.

Hygienische Kolostrumgewinnung

Da neugeborene Kälber pathogenen Keimen hilflos ausgesetzt sind, ist die hygienische Gewinnung des Kolostrums extrem wichtig. Sind das Melkzeug sowie andere Gerätschaften, mit denen die Milch in Kontakt kommt (Melkkanne, Nuckeleimer, Nuckel), nicht penibel sauber, findet bereits zu diesem Zeitpunkt eine fatale Kontamination mit Bakterien statt. Ein Kalb, das ein solches Kolostrum aufnehmen muss, hat schlechte Startbedingungen ins Leben. Inzwischen weiß man, dass eine bakterielle Belastung der Milch zusätzlich die Passage der Immunglobuline durch die Darmwand beeinträchtigt. Auch eine Hitzebehandlung des Kolostrums bei maximal 60° C, wie sie teilweise empfohlen wird, kann mangelnde Hygiene bei der Gewinnung des Kolostrums nicht ausgleichen. Denn beispielsweise Staphylokokken sind erstaunlich hitzebeständig und überleben diesen Prozess.

Ist im Gefrierschrank noch Platz?

Hochwertiges Kolostrum ist kostbar. Aktuell nicht verbrauchte Biestmilch guter Qualität kann bequem bis zu einem Jahr bei -20° bis -18°C tiefgefroren gelagert werden. Für die platzsparende, flache Lagerung der Biestmilch-Reserve eignen sich z.B. 1 Liter Kunststoffbeutel mit Klipp. Am besten Papier zwischen mehrere Lagen legen, um ein aneinander Festfrieren zu vermeiden.  Damit vor der Verwendung beim Kalb die wertvollen Immunglobuline nicht zerstört werden, empfiehlt sich ein schonender Auftauprozess der Kolostrum-Reserve im Wasserbad bis maximal 40° C. Ein Auftauen in der Mikrowelle ist nicht angeraten.

Was ist „Kolostrum-Qualität“?

„Die Biestmilch ist so schön gelb, die ist doch sicherlich gehaltvoll…?“ - Es sind immer noch die wenigsten Milchviehhalter, die die Qualität des Kolostrums ihrer Kühe messen. Doch ohne Datengrundlage ist es auch nicht möglich, die Effektivität von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung im Rahmen einer Kolostrum-Strategie zu bestimmen, um anschließend die Werte zu optimieren.

Der landwirtschaftliche Praktiker hat zwei verschiedene Mess-Instrumente zur Verfügung, um den Immunglobulin-Gehalt im Kolostrum seiner Tiere zu bestimmen:

Kolostrumspindel (oder Kolostrum-Densimeter, Kolostrometer)

Hierbei handelt es sich um eine recht grobe Bestimmung der Kolostrum-Qualität. Je nachdem, wie tief die Spindel in die Milch (250 ml bei Zimmertemperatur) eintaucht – ob in den roten, in den weißen oder den grünen Bereich – weiß man, ob die Biestmilch von schlechter, von nicht-optimaler oder von guter Qualität ist. Je mehr Antikörper enthalten sind, desto höher ist die spezifische Dichte und der Auftrieb. Einfache Spindeln sind bereits zwischen 25,- € und 30,- € zu erwerben.

Das ist keine Ausgabe für gesunde Kälber…

Refraktometer

Bei diesen Geräten wird der Brechungsindex, der auf einer Brix-Skala abgelesen werden kann, gemessen. Refraktometer sind bruchstabil und temperaturunabhängig, sie benötigen weniger Probenmaterial und haben eine deutlich höhere Genauigkeit als Kolostrumspindeln. Es werden wenige Tropfen Kolostrum auf die Linse gegeben, man hält das Gerät gegen das Licht und liest den Brix-Wert ab.Refraktometer

Grenzwerte guter Kolostrum-Qualität beginnen bei einem Wert von 22% Brix, optimale Qualitäten weisen 26% Brix auf.

Optische Refraktometer sind zwischen 70,- € und 160,- € erhältlich, digitale Geräte kosten um die 400,- €. Man sollte darauf achten, dass die Mess-Skala des Refraktometers einen Bereich zwischen 0-30% Brix anzeigt.

Schlechte Qualität, was nun?

Bei schlechten, niedrigeren Brix-Werten sollten umgehend Maßnahmen im Management zur Verbesserung der Kolostrum-Qualität ergriffen werden. Dies umfasst u.a. die Dauer und Art der Trockenstehzeit, die Fütterung der Hochtragenden, das Stallklima und möglicher Weise auch Impfungen.

Es empfiehlt sich, nach vorgenommenen Änderungen im System die Auswirkungen zu überwachen. Das ist ein minimaler Aufwand, der sich lohnt. Immer dran denken, dass jegliche Investition von Zeit und Geld in die Kälber mit Gesundheit und späterer Leistung entlohnt wird.

Themen: Immunsystem