Rinder: Ätherische Öle – parfümiertes Futter, oder was…?

In den Sommermonaten stehen unsere Nutztiere bereits bei vergleichsweise moderaten Temperaturen, wenn wir Menschen meist noch keine Hitze empfinden, unter thermischem Stress. Auf die Vielfalt an möglichen Gegenmaßnahmen in Haltung und Fütterung soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. -  Man liest jedoch immer wieder, dass in dieser Phase ätherische Öle in Form von Ergänzungsfuttermitteln hilfreich sein können. Wie hat man sich das vorzustellen?

Ätherisches Öl – was ist das überhaupt?

Zur Erinnerung: Ätherische Öle sind Gemische verschiedener, leicht flüchtiger, fettlöslicher Substanzen mit charakteristischem Geruch. Sie treten vermehrt in bestimmten Pflanzenfamilien auf und werden in speziellen Öldrüsen gebildet. Diese Stoffe können sich in Blättern (Eukalyptus), Blüten (Rose), Samen (Anis), Schalen (Zitrusfrüchte), in der Rinde (Zimt), im Holz (Sandelholz), im Harz (Weihrauch) oder auch in Wurzelknollen (Ingwer) befinden. In der Regel werden ätherische Öle durch Wasserdampfdestillation, aus Zitruspflanzen durch Kaltpressung, gewonnen.

Man hat über 100 unterschiedliche Komponenten in einzelnen ätherischen Ölen analytisch nachweisen können. Insgesamt sind mehr als 2000 chemische Verbindungen dokumentiert. Durch sinnvolles Kombinieren verschiedener ätherischer Öle lässt sich die Wirkungsbreite über Synergieeffekte noch deutlich erweitern.

Was bewirken ätherische Öle?

Ätherische ÖleNach direkter Eingabe über das Maul oder via das Futter, durch Einatmen bzw. Inhalieren oder auch über die Haut gelangen diese lipophilen, leicht resorbierbaren Substanzen in den Blutkreislauf und werden zügig im ganzen Körper verteilt. Oral aufgenommen, können ätherische Öle zeitverzögert in der Ausatemluft nachgewiesen werden. Äußerlich setzt man sie vorrangig bei Nervenschmerzen und rheumatischen Erkrankungen ein. Es handelt sich bei diesen Substanzen um so genannte Multi-Target-Drugs, die an ganz unterschiedlichen Zielstrukturen im Körper ansetzen. Das Wirkungsspektrum reicht von entzündungshemmenden über antimikrobielle, schleimlösende, appetit- sowie verdauungsanregende, zellschützende, entkrampfende, harntreibende, beruhigende bis hin zu insektenabwehrenden Effekten. Darüber hinaus können diese Stoffe die Bildung von Biofilmen unterbinden und sind in der Lage, bestehende zu durchdringen. Auf diesem Wege machen sie pathogene Keime, die sich darin geschützt aufhalten, für die körpereigenen Abwehrzellen sowie auch ggf. nötige Gaben von Antibiotika zugängig. Man kann ätherische Öle dadurch auch als Wirkungsverstärker für Antibiotika verstehen.

Diese flüchtigen Substanzen sind zudem in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Über das limbische System im Gehirn lösen Gerüche Emotionen aus. So vitalisieren z.B. leichte Zitrusdüfte und heben die Stimmung. Es handelt sich dabei um echte physiologische Reaktionen, mit Esoterik hat das nichts zu tun. Diese Effekte macht sich die Aromatherapie gezielt zunutze. -  Sollen unsere Rinder also gut gelaunt schwitzen, oder was ist das Ziel?

Immer cool bleiben

Jeder Rinderhalter fürchtet warme Silagen sowie Mischrationen. Für die Stabilität von Silagen gibt es eine große Auswahl an Siliermitteln. Doch was ist mit Mischrationen, die sich erst im Stall, auf dem Futtertisch erwärmen? Dies ist der Fall, wenn Hefen und Pilze, die aus einer der Rationskomponenten stammen, aktiv werden. Dadurch finden nicht nur Nährstoffverluste statt, auch die Schmackhaftigkeit des Futters leidet. Warm gewordenes Futter wird bekanntlich nur ungern gefressen. Es geht jedoch darum, die Kühe immer wieder zum Fressen zu animieren. Die meisten ätherischen Öle haben antimikrobielle Eigenschaften. Sie können somit auch die Tätigkeit von Mikroorganismen im Futter eindämmen und auf diese Weise die Nacherwärmung in einem gewissen Rahmen reduzieren. Ätherische Öle beispielsweise über den Mischwagen in die Ration einzubringen, kann daher eine sinnvolle Sache sein. Grundsätzlich ist auf eine gute Durchmischung des Futters bzw. ein gutes Einarbeiten zu achten. Gegebenenfalls kann man die Tiere zu Beginn mit steigenden Gaben über wenige Tage hinweg an den ungewohnten, aromatischen Geruch und Geschmack gewöhnen.

Besser als der Mensch…

… können unsere Rinder Gerüche erfassen. Sie haben einen ausgeprägten Geruchssinn. Sie sind sogar in der Lage, „ihre“ Menschen am Geruch zu erkennen und zu unterscheiden. Bei unbekannten Gerüchen reagieren Rinder bekanntlich sehr sensibel. Was sie gar nicht mögen, ist der Speichelgeruch von Artgenossen. Altes Futter auf dem Futtertisch, in dem bereits andere Kühe herumgewühlt haben, wird nur ungern gefressen. Die Futteraufnahme ist reduziert. Schon deshalb ist es sinnvoll, möglichst mehrmals am Tag frisches Futter anzuschieben – ggf. mit technischer Unterstützung durch einen Fütterungsroboter. Futterreste sind regelmäßig zu entfernen. – Die aromatischen ätherischen Öle sind dafür bekannt, dass sie nicht nur direkt die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen stimulieren, sondern zudem über eine Verbesserung von Geruch und Geschmack des Futters appetitanregend wirken. Des Weiteren erhöhen sie die Vitalität der Tiere, wie von Praktikern immer wieder beschrieben wird. Andere Milchviehhalter berichten auch von entspannteren Kühen, die auf Stresssituationen unterschiedlicher Art gelassener reagieren. Hier können ätherische Öle möglicher Weise im Sinne eines Adaptogens wirken und die Anpassungsfähigkeit der Tiere verbessern.

 „Barrierefrei“ ist nicht immer gut

Die Forschung hat ergeben, dass Hitzestress die Darmbarriere beeinträchtigt und somit deren Durchlässigkeit für Mikroorganismen sowie Toxine erhöht (Leaky gut). Hierdurch verstärkt sich das Risiko für Entzündungen deutlich. Gerade in Phasen reduzierter Immunabwehr, wie sie u.a. in den Sommermonaten auftreten, benötigen die Tiere daher unsere Unterstützung. Bestimmte ätherische Öle, wie zum Beispiel aus Thymian und Eukalyptus, haben bekanntlich stark entzündungshemmende Effekte. Ihr Einsatz sowie der anderer ätherische Öle kann sich daher in Hitzephasen begleitend positiv auf die Tiergesundheit auswirken.

Dies alles sind gute Gründe, um sich als Tierhalter – nicht nur bei Hitzestress - einmal näher mit der Stoffgruppe der ätherischen Öle und ihrem Einsatz bei Nutztieren zu befassen.

Themen: Stoffwechsel